1.2.3 Squatter, Siedler und Surveyor
Während erste Berichte aus dem Landesinneren in den 1820-ern und 1830-ern von Expeditionen vorgelegt werden, sind den Siedlern selbst Grenzen gesetzt. 19 Counties (Kreise) waren um Sydney herum ausgezeichnet. Darüber hinaus sollte keine Siedlung bestehen.
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Nur stellte sich etwa um die selbe Zeit heraus, dass die Bedingungen in Australien ideal waren, um Viehhaltung zu betreiben – ein sehr flächenintensives Vorhaben. Vor allem die Wolle von aus Europa eingeführten Merinoschafen erzielte beträchtliche Gewinne auf dem europäischen Markt. An diesem profitablen Geschäft konnte jeder teilhaben, der genügend Startkapital aufbrachte, um eine Herde aufzubauen. Danach brauchte man nur noch Weideland, möglichst viel. In den Counties gab es das nicht umsonst – während im Landesinnern Millionen Hektar ungenutzt waren.
Als abzusehen war, dass Siedler die äußeren Grenzen der 19 Counties erreichen werden, versuchte die Regierung, der Expansion mit Strafandrohungen einen Riegel vorzuschieben. Doch bevor das in der Bevölkerung hinreichend publik war, siedelten Teile davon schon jenseits der Grenzen - ohne jede rechtliche Grundlage, außerhalb staatlicher Kontrolle. Diese „unauthorised occupation of large provinces” in Australien ab den 1830-er Jahren wird „squatting“ genannt, wer daran teilnimmt, ist ein „Squatter“.[26] Ebendieser Typ Siedler, ein Viehhalter mit seiner Herde und einigen Arbeitern, der in unerforschtem Land - alles was ihm für die Navigation bis dahin zur Verfügung stand, waren Berichte von vorausgegangenen Expeditionen, oft nicht einmal diese - eine Station errichtet, wird zur treibenden Kraft hinter der weißen Inbesitznahme der Kontinents.
Aufzuhalten waren sie nicht mehr. Um sie nicht im rechtsfreien Raum zu belassen, wurden 1836 weitere Distrikte in der Kolonie eingerichtet, die jeweils von einem Commissioner of Crown Lands betreut wurde. Weiteres Ausbreiten führte zu einer weiteren Unterteilung der eingerichteten Distrikte. Außerdem wurden die Squatter jetzt besteuert. In den zunächst acht Distrikten außerhalb siedelten 1840 bereits 7800 Menschen auf 718 Stationen, dazu zählte man 1.250.000 Schafe.
Tentakelartig rückten sie in neue Räume vor; entlang der Wasserläufe, nach Süden, Westen und Norden. Im Süden war ein Ende abzusehen, die Küste. Im Westen stießen sie bald auf salziges Steppenland. Nur über den Norden war nichts bekannt. Vor allem dorthin zog es sie. Zunächst nach New England, in den 1840-ern dann bis ins heutige Queensland, und von dort bis in den Norden der späteren Kolonie.[27]
Für die Namenwelt war ein großer Schritt getan. Nicht nur brauchten entstandene und entstehende Distrikte Namen, auch die „Besetztümer“ der Squatter, die sogenannten Runs, bekamen welche. Das konnten Familiennamen sein, oder die Namen, die von ihnen für ihre Stationen verwendet wurden. Darunter findet man viele Namen der Aborigines.
Spätestens als diese Art der Viehhaltung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem regulären Geschäft geworden war, das teilweise von Gesellschaften betrieben wurde, mehr Kapital verlangte, auf einer ordentlichen rechtlichen Grundlage stand und als die Squatter so zu landwirtschaftlichen Unternehmern geworden waren, verlangte die Administration nach unikalen Namen. Mit Tausenden Runs wurden Tausende Namen notwendig. Deshalb wurden Namen aus allen nur denkbaren Themenbereichen entlehnt sowie Eigenschöpfungen vergeben. Dabei erwiesen sich die Viehhalter als durchaus kreativ. Unter den Tausenden Namen für Runs in Queensland gab es u.a. Annie Joe Joe, Napoleon, Panic, Young Woman, Promised Land, Underwater, Sunshine, Planet, Playboy, Olympus, Legend, Hercules, Cant-lick-it und Knee, Toe, Leg und Foot.
Unter den weniger originellen Namen findet man Alpha, Beta, Gamma oder ein A1, A2 usw. Überaus beliebt war auch, anderswo existierende Ortsnamen zu vergeben. Die jährlich veröffentlichten Runlisten der Regierung zeigen Finland, Athens, Santa Cruz, Russia, Moscow, Cracow, Canterburry u.v.m. – und manchmal drängt sich der Verdacht auf, die Namen spiegeln die Beschaffenheit des Landes wieder. Afghanistan und Sahara sind belegt, ebenso Texas und Amazonas.
Ein kleiner Teil der Namen leitet sich aus deutschem Wortschatz her oder spiegelt deutsche Orts- und Familiennamen wieder: Becker, Speck, Hoffnung, Godesberg, Bonn, Berlin, Silesia und Schwartzwald sind Beispiele bezeugter Namen für Runs. Einige Runs hießen Bismarck. [28] Die Vermutung liegt nahe, dass diese Namen von deutschsprachigen Squattern eingeführt wurden. Ein Nachweis darüber ist allerdings schwierig; Runs wurden oft von einem Viehhalter an andere oder an Gesellschaften weiterveräußert, zusammengelegt, oder aufgeteilt – teilweise mehrfach innerhalb eines Jahres. Den ursprünglichen Namengeber ausfindig zu machen, ist kaum möglich, zumal Runnamen bereits vor dem ersten legalen Pächter entstanden sein können oder in einigen Fällen vom Distriktbeauftragten vergeben wurden.
Insgesamt war dieser Art von Viehhaltung nachzugehen für deutsche Einwanderer untypisch. Deutsche Squatter waren eher die Ausnahme.
Inzwischen gibt es keine Runs mehr, doch die Runnamen können in ihrer Bedeutung für die Namenwelt Australiens kaum überbewertet werden. Zum ersten Mal wurden „weiße Namen“ flächendeckend verstreut, zunächst für Areale, Gewässer und Stationen. Die Chance, dass sie auf später entstehende dauerhafte Siedlungen übertragen wurden, und so ggf. bis heute überlebten, war hoch.
Einige übertragene Ortsnamen aus allen denkbaren Regionen der Welt liegen daher heute nur wenige hundert Kilometer voneinander entfernt. Von Texas nach Eisvold (nach einer Stadt in Norwegen) sind etwa 300 Kilometer zurückzulegen, nach weiteren 90 ist man in Cracow. Die Namen dieser Orte leiten sich von Runnamen her. Vor allem die Namen von Parishes (Gemeinden) und einige Counties (Kreisen) gehen letztlich auf Runs zurück. Beispiele aus Queensland sind dafür zahlreich.
Inzwischen entstanden auch weitere Städte und Siedlungen. Für weitere Örtlichkeiten wählten Landvermesser, „Surveyor“, Namen. Dafür nutzten sie häufig die Namen ihnen bekannter Personen oder Persönlichkeiten und erweiterten sie um ein generisches Element. Sie waren manchmal auch für Städtenamen verantwortlich.
Die Arbeit der Landvermesser war auch jenseits der „town sites“ gefragt. Sie wurden gebraucht um Runs im ganzen Land abzugrenzen damit Pachtzahlungen auf einer nachvollziehbaren Grundlage berechnet werden konnten und Grenzstreitigkeiten ein Ende hatten. Das monumentale Vorhaben, letztlich das gesamte Land zu vermessen, konnte nur mit koordinierter Arbeitsteilung bewältigt werden. Die Kontrolle lag im Büro des Surveyor-Generals der jeweiligen Kolonie. Er beauftragte Landvermesser oder kleine Teams mit der Vermessung bestimmter Abschnitte. In den Europäern noch unbekannten Regionen suchten sie auch nach Wasservorkommen und Mineralien. In Queensland dauerte es etwa 40 Jahre, bis die Kolonie im Ganzen, ungeachtet der großen Entfernungen und harschen Umstände, grob kartografiert war.[29]
Auf den Karten der Landvermesser wurden bestehende Namen oft zum ersten Mal schriftlich festgehalten. Sie konnten von Siedlern oder Aborigines kommen oder vom jeweiligen Landvermesser selbst. Auch Surveyor-General oder die Distriktbeautragten konnten Namen nach eigenem Ermessen vergeben.[30] Manche „Namen“ auf den von den Vermessern vorgelegten Plänen hatten wohl rein deskriptiven Charakter und wurden erst später als Toponyme verstanden. So gibt es in Queensland wenigstens 230 Sandy Creeks, etwa 70 Stony Creeks und über 30 Dry Creeks. Ist ein Name aber erst einmal auf einer Regierungskarte erfasst, hat er offiziell Bestand.
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