17.Feb.2005

Einleitung

Im 19. Jahrhundert verließen Hunderttausende Europäer ihre Heimat, um in der Fremde ihr Glück zu suchen. Dabei waren es, abgesehen von den Engländern, v.a. Deutsche, die emigrierten. Nichts ist bekannter als deren Massenauswanderung in die USA. Hunderttausende schlugen den Weg über den Altantik ein und schufen sich eine neue Heimat. In Pennsylvania, Wisconsin, Iowa oder Texas, die von ihnen in der neuen Heimat hinterlassenen Spuren sind mannigfaltig. Mit den Menschen kam ihre Arbeits- und Bauweise, ihre Traditionen, ihre Sprache. Zeugnis dafür sind die deutschen Ortsnamen, die noch heute dutzendfach in den Vereinigten Staaten vorzufinden sind.[1] Dort hinterließen sie deutlich sichtbare Spuren in der Namenwelt.

Nicht ganz so bekannt ist, dass im selben Zeitraum Tausende deutscher Auswanderer ihren Weg nach Australien einschlugen. Zwar bildeten sie nur einen geringen Teil der gesamten Auswanderungsbewegung, dennoch kamen sie zahlreich genug, um den Inselkontinent deutliche mitzuprägen. Ob sie Wein in Südaustralien anbauten, oder Zuckerrohr in Queensland, in Victoria nach Gold suchten oder in New South Wales Schafe hüteten; sie waren maßgeblich an der Entwicklung der jungen Kolonien beteiligt. Auch hier hinterließen sie sichtbare Spuren in der Namenlandschaft – sichtbar, aber oft erst auf den zweiten Blick.

Literatur zum Thema deutsche Ortsnamen ist in Australien spärlich.
Wenn sich Artikel mit dem Thema befassten, dann fast immer unter dem Aspekt ihrer Umbenennung im Ersten Weltkrieg, als sich Briten und Deutsche in Europa in feindlichen Lagern gegenüberstanden.
Dass etliche deutsche Ortsnamen in Australien entstanden, wird bei der Durchsicht aber schnell deutlich. Klar wird auch, dass es darunter eine Vielfalt unterschiedlicher Bildungen gab: Übertragene Ortsnamen, Ortsnamen aus Personennamen, Simplizia, Komposita, Mehrwortnamen, Mischnamen. Egal in welcher Form, wenn sie als deutsch aufgefasst wurden, konnten sie umbenannt werden.
Ein Ungleichgewicht in der Anzahl der Umbenennungen in den einzelnen Bundesstaaten fällt aber sofort auf. Nach Reynolds waren in Tasmanien zwei, in Western Australia, Victoria und New South Wales jeweils drei, in Queensland 15, und in Südaustralien 64 (nach Praite sogar 70) Ortsnamen vom Namenwechsel betroffen.

Viele Fragen bleiben offen. Wurden alle deutschen Ortsnamen umbenannt oder gab es weitere? Wenn ja, welche? Wie bekamen sie ihre Namen? Was ist aus ihnen geworden? Wie ist das Ungleichgewicht zu erklären?

Eine Frage, nämlich die, was einen deutschen Ortsnamen ausmacht, muss vorab beantwortet werden.
Zunächst wird Ortsname in einem weiten Sinn verstanden, nicht als Siedlungsname, sondern als jede Art von geografischem Namen. Der Begriff deckt sich dann mit dem im englischen Sprachraum üblichen Terminus placename.

Was ihn als deutsch kennzeichnet, kann recht subjektiv sein. Hier soll gelten: Deutsche Ortsnamen sind mit deutschen Wortbildungselementen gebildete Ortsnamen, Ortsnamen, die Übertragungen oder partielle Übertragungen von im deutschen Sprachraum beheimateten Toponymen sind, und Ortsnamen, die sich von Personennamen herleiten, deren Träger deutscher Muttersprache war.
Die australische Onomastik hat ehrgeizige Ziele, steht jedoch noch am Anfang. So kann man sich bei der Arbeit an Ortsnamen zwar auf wenige Ortsnamenbücher stützen, aber Hinweise auf die Geschichte deutscher Ortsnamen findet man darin nur vereinzelt. So muss es für die meisten Bundesstaaten leider bei einen sehr begrenzten Überblick bleiben.

Doch für diese Arbeit bestand die Möglichkeit, in Queensland, dem Bundesstaat, der die jüngste und stärkste Einwanderung Deutscher erfuhr, eigene Nachforschungen anzustellen. Dabei kamen einige weitere Namen zu Tage. So kann anhand einer Fülle von Beispielen eines Bundesstaates dargestellt werden, wie deutsche Ortsnamen auf den Inselkontinent gelangten.

Karte AustralienVor allem zusammen mit den zahlreichen umbenannten deutschen Orten Südaustraliens eröffnen sich weitere Perspektiven. Es bietet sich die Möglichkeit, an einer Wanderung aus jüngster Vergangenheit nachzuvollziehen, wie neue Namen entstanden, und wie bestehende Ortsnamen in eine neue, fremde Umgebung übertragen wurden. Selten wird man dabei weiter zurückgehen müssen, als 150 Jahre.

Daher ist Ziel der Arbeit, auch zu zeigen, wie aussagekräftig Ortsnamen als Ergebnis einer Massenwanderung sind und ob sich Muster der Namengebung ableiten lassen.