Namen im Unterricht: Wie sie das Schicksal e ...
Neulich wachte ich schweißgebadet aus einem Alptraum auf, der mich seit meiner frühen Kindheit verfolgt. Erster Schultag. Ein Klassenzimmer, das nach Putzmittel riecht. Ich sitze in der ersten Reihe, meine Eltern warten irgendwo draußen in der Sonne, während meine Zuckertüte unerreichbar im hinteren Teil des Klassenzimmers liegt. Eine zwei Meter große Lehrerin im blasslila Blümchenkleid mit Schulterpolstern (ein Relikt aus den 1980ern, wir schreiben das Jahr 1991) steht vor mir, die mit tiefer Stimme und strengem Blick zu mir sagt: „Aufstehen. Wie heißt du?“ Alle Augen sind auf mich gerichtet. Waaaaaaaaaaah!
Solche Vorstellungsrunden waren für mich als Kind ein Graus. Aufstehen, Namen und Alter sagen, Anzahl von Geschwistern und Haustieren, Lieblingsfarbe… Große Aufregung, ob ich alles richtig aufzähle, ob die Mitschüler mich langweilig finden, weil ich nur einen Wellensittich und kein eigenes Pferd habe wie Peggy, und schließlich die Frage, ob ich diesmal die einzige Claudia in der Klasse bin (War ich nie.), die anderen meinen Namen gut finden oder mir lieber einen Spitznamen geben. Übrigens immer letzteres. Gefühlter furchtbarster Spitzname: Claude („Klo-d“), gefühlter coolster Spitzname damals: CJ (englisch ausgesprochen, denn Pamela Anderson hieß so in Baywatch, und die hat schließlich Leben gerettet. Jaja, die 1990er…).
Doch was für mich eine Angelegenheit von monumentalem Ausmaß war, war innerhalb weniger Sekunden erledigt und abgehakt. Dabei hätten meine Lehrer damals viel kreativer und, sagen wir, gruppenbildender mit dem Thema Vornamen umgehen können – und damit vielleicht Verirrungen in Sachen Spitznamen wie eben beschrieben verhindert. Tatsächlich kann man das Thema Namen nämlich sehr gut in den Unterricht einbinden. Im Deutschunterricht können Schüler zur Bedeutung ihres Namens forschen und sich mit anderen darüber austauschen. In höheren Klassen ist dies ein guter Einstieg in die Sprachgeschichte, und auch im Geschichtsunterricht können Lehrer das Thema Namen nutzen, um einen persönlichen Einstieg in die Regional- und Siedlungsgeschichte zu schaffen. Außerdem können die Schüler für eigene Projekte im Internet recherchieren und so den Umgang mit modernen Medien erlernen.
Mich persönlich hätte es damals jedenfalls mehr motiviert, wenn ich nicht nur meinen Namen zu Beginn eines jeden Schuljahres hätte aufsagen müssen, sondern gemeinsam mit meinen Mitschülern dessen Bedeutung erforscht hätte. Dabei hätte ich zwar erfahren, dass Claudia „die Hinkende“ heißt, aber auch alle anderen hätten gewusst, dass Paul aus der Reihe hinter mir (Urheber meines furchtbaren ersten Spitznamens) eigentlich „der Kleine“ bedeutet. Damals in der zweiten Klasse hätte das für mich die Hoffnung auf kosmische Gerechtigkeit wiederhergestellt. Ich hätte Paul ausgelacht, hätte später zum Abschlussball selbstbewusst ein schickes Kleid und kein Zelt getragen, mein Schwarm hätte sich spätestens dann auch in mich verliebt, ich hätte reich geheiratet und wäre heute Bundeskanzlerin. Na gut, vielleicht nicht ganz. Aber zumindest wäre die zweite Klasse erfreulicher geworden.
Um Lehrern eine Anregung für die Unterrichtsgestaltung mit Namen zu geben, sind einige grundlegende Informationen auf vier Arbeitsblättern zusammengestellt. Diese befassen sich mit Herkunft und Varianten der Vornamen, Entstehung und Bedeutungsgruppen von Nachnamen und geben einen Überblick zu häufigen Nachnamen im Deutschen.
Liebe Lehrer, verhindern Sie Schlimmeres, ersticken Sie Angstträume wie meine im Keim und lassen Sie Vorstellungsrunden zu Beginn des Schuljahres zu einem positiven Erlebnis werden. Großes Danke schon jetzt.
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