2.Nov.2019

Mein Baby gehört zu mir! – Kosenamen in der ...

kuschelndes Paar

Als Patrick Swayzee im Filmklassiker „Dirty Dancing“ erklärte, dass „sein Baby“ zu ihm gehören würde, schmolzen ganze Generationen von Frauenherzen dahin. Aber wie wäre das gewesen, wenn er von seinem „Stinkerle“ gesprochen hätte? Sicherlich deutlich weniger romantisch, wobei beides durchaus gern genutzte Kosenamen sind.

Was sich liebt, das gibt sich Namen

Die Deutschen lieben Kosenamen. Unangefochtene Favoriten sind Hase, Maus und Schatzi – dicht gefolgt von Bär, Engel, Schnucki und Liebling. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2013 hat jeder vierte Deutsche einen Kosenamen, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. Schließlich werden Kosenamen grundsätzlich als etwas Intimes empfunden, und das gibt man eben nicht jedem Preis. Wird die Ehefrau liebevoll als Muschi geoutet, wie bei CSU-Politiker Edmund Stoiber, kann das Ganze nämlich schnell nach hinten losgehen.

Klassische Geschlechterrollen?

Auffallend ist dabei, dass für Frauen bevorzugt Begriffe verwendet werden, die kleine, niedliche Tierchen bezeichnen oder gar etwas besonders Wertvolles. Eben etwas, das es zu beschützen gilt. Im Gegenzug ist für Männer der Bär nach wie vor der unangefochtene Sieger aller Klassen. So soll der Herr der Schöpfung sein: groß, mächtig, stark – aber zugleich auch kuschelig wie ein Teddy.

Ein bisschen Beleidigung gefällig?

Es sind allerdings noch weitere Kategorien zu beobachten. Neben Kosenamen, die eine besondere Eigenschaft des Partners beschreiben (etwa „Gazelle“ ), gibt es zahlreiche Varianten von zärtlichen Beleidigungen. Da ist (liebevoll!) die Rede von einem Arsch, dem Zonk, Pupsi, Scheißerle, Hasenfürzchen und Co. Offenbar besteht ein gewisser Hang zum Analen. Auffallend ist übrigens auch eine Vorliebe für Kosenamen, die mit dem Sch-Laut beginnen (Schnucki, Schatzi, Scheißerchen etc.). Handelt es sich hier um eine Analogie zum beruhigend-liebevollen Schscht!, das man Kindern zuflüstert?

Es geht ans Eingemachte

Was sämtliche der bisherigen Studien unterschlagen, ist die Tatsache, dass bei Paaren zusätzlich meist noch intimere Kosenamen existieren, die eben für die Zeit zu Zweit aufgespart werden. Diese vermutlich deutlich kreativeren Varianten bleiben streng geheim, die Ursache hierfür ist im sogenannten Volksglauben zu finden. So waren früher in den Kulturen Einführungsriten üblich, wenn sich eine fundamentale Änderung im Leben ergab. Bei diesen Riten erhielt der Betreffende häufig einen neuen Namen, um zu zeigen, dass hier ein neuer Mensch „geboren“ worden war. In der Bibel ist derartiges mehrfach zu beobachten, der Klassiker ist die Umbenennung von Saulus zum Paulus, der Betreffende bekehrt wurde und dem Göttlichen näher rückte.

Die Magie der Namen

Verliebtsein markiert ebenfalls so einen neuen Lebensabschnitt, und ist somit ebenfalls Spielfeld für magisches Denken. Natürlich haben wir Menschen einen gewissen sprachschöpferischen Impuls, aber es ist faszinierend, dass der „echte“ Name nach dem Zusammenkommen teilweise regelrecht gemieden wird! Ist es die Furcht, ihn zu entweihen? Oder möchte der Partner nicht, dass andere Leute Macht über sein Herzblatt bekommen könnten? Beispielsweise konnte der Märchenfigur Rumpelstilzchen nur das böse Handwerk gelegt werden, wenn sie mit dem richtigen Namen angesprochen wurde. Dieser wird gleichgesetzt mit der Essenz, dem ureigensten Wesen der jeweiligen Person. Daher ist auch der wahre Name Gottes, Jehova, im jüdischen Glauben mit einem Tabu belegt.

Kenne ich diesen ureigensten Namen nämlich, so kann ich nämlich den Bezeichneten beherrschen. Es ist eine Idee, die schon im alten Ägypten bekannt war und ebenfalls in der Bibel begegnet. So sagt Gott zu Jakob in Jes 34,1: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“

Paare haben übrigens meist nicht nur einen Kosenamen für den anderen, sondern eine ganze Sammlung. Diese wiederum wird ständig ausgebaut; nicht mehr adäquat erscheinende Begriffe fallen weg, dafür kommen neu hinzu. So entstehen regelrechte Namenskataloge – diese Mehrfachnennungen sind Versuche, die zahlreichen unterschiedlichen Wesenszüge des anderen zu beschreiben. Die Person erscheint so vielfältig und vielseitig, dass für jede wahrgenommene Facette eine Bezeichnung gewählt wird.

Ein ähnlicher Gedanke begegnet beispielsweise auch in den Namenskatalogen für göttliche Wesen. Die Kataloge mit den 100 Namen Allahs sind sicherlich aus einer vergleichbaren Intention entstanden, wobei die Namens-Anzahl eher symbolischen Charakter hat.

Der falsche Name ist das Aus

Die Wahl der Kosenamen für den geliebten Lebenspartner ist insofern in einem engen Bezug mit einem gewissen magischen Denken zu sehen, das allen Menschen nach wie vor innewohnt. Auch wir sind stets auf der Suche nach dem einen, dem richtigen Namen und sind fasziniert von den zahlreichen Facetten unseres Gegenübers. Wird der nicht getroffen, so kann dies nur eins heißen: Der andere liebt uns nicht wirklich! Kein Wunder also, dass die wiederholte Nutzung eines falschen Kosenamens sogar eine Trennung nach sich ziehen kann, wie eine Studie der US-Universität Louisville im Jahre 2005 ergab.