19.Okt.2014

Ganz große Befriedigung - Prof Udolph im Int ...

Prof Udolph im Namenzentrum

Ruhestand stellt man sich anders vor.  Deutschlands wohl bekanntester Namenforscher begegnet in Radio, Fernsehen und als Autor. Warum Prof. Udolph die Faszination für Namen bis heute nicht loslässt, was die Arbeit zu einer große Befriedigung macht und welche Namen ihm bis heute Bauchschmerzen bereiten, erläuterte er, als wir  mit ihm in seinem Zentrum in Leipzig sprachen.

 TL: Die Namen beschäftigen Sie bereits seit über 40 Jahren. Anfangs Gewässer-, dann Ortsnamen und seit einigen Jahren Familiennamen. Gibt es denn Namen, die Sie bis heute verfolgen?

Udolph: Ja, die gibt es immer wieder. Wir haben fast eine Million Familiennamen und darunter sind auch ein paar, die wir nicht erklären können. Ich habe immer noch ein Problem mit dem Klohocker, da wissen wir nicht genau, ist es der Klauenzieher. Nicht so ganz angenehm: Bei Schlachten werden dem Vieh die Zehen gezogen, weil man dann das Fleisch verarbeiten kann. Das Klo-, aus dem Hessischen, kann man auf jeden Fall mit Klaue verbinden, und das hocken, Hoker, höcker, verhöckern... das könnte einer sein, der dem Vieh die Klauen gezogen hat.
Manche Deutungen lassen sich tatsächlich nicht abschließend überprüfen, anders als in den Naturwissenschaften, wo ich mit einem Experiment feststellen kann, ist die Antwort ja oder nein. Es ist hier eher eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Aber zu 85% bin ich mir sicher. Auf keinen Fall ist Klohocker der, der auf dem Klo hockt!

Ihre Arbeit als Namenforscher begannen Sie mit Gewässernamen, dann kamen Sie zu den Ortsnamen. Was macht für Sie die Faszination gerade von geografischen Namen aus?

Mein Mentor und Lehrer führte mich damals, 1970, auf den Weg. Er hatte mir für die Magisterarbeit das Thema slawische Gewässernamen empfohlen. Da mag macher denken "Ach Gott, es gibt spannendere Themen", aber Vorsicht: Diese Gewässernamen, nicht alle, aber manche, haben ein sehr hohes Alter: Rhein, Elbe, Donau, Ems, Weser, Weichsel - das sind Namen, die reichen 3.000 Jahre oder weiter zurück. Und das macht ihre Faszination aus. Was steckt dort drin? Aus welcher Sprache kommen diese Namen? Das war der Anfang. Mich hatte die Faszination nach einer Woche gepackt. Das war etwas für mich!
Material sammeln, das war dann erst einmal wichtig. Es gab noch keinen PC. Man musste alles auf Zetteln aufschreiben. Und so habe ich eine große Sammlung klitzekleiner Zettel, inzwischen wohl einige Hundertausend.

Ihre wissenschaftliche Karriere baut auf Gewässer- und Ortsnamen auf. Zu diesen Themen haben Sie hunderte Veröffentlichungen. Für die größte mediale Aufmerksamkeit sorgen aber die Familiennamen. Wie empfinden Sie das?

Das ist ein bisschen Schade, denn Ortsnamen und Gewässernamen - darin verbergen sich ältere Geheimnisse als in Familiennamen. Aber wollen wir mal sehen, ich habe gerade etwas für ein neues Buch über den Ortsnamen Halle gemacht. Die Frage die mich interssiert ist, bedeutet Halle wirklich Salz? Ich glaube, es geht eher um die Lage, eine Schräge, eine Halde. Damit werde ich in Halle wohl kein Publikumsliebling werden. Mal sehen, ob dieses Buch das Interesse etwas mehr in die Öffentlichkeit bekommt.

Das illustriert sehr schön, dass Sie nicht wirklich im Ruhestand sind. Auch bei Antenne Brandenburg, SWR oder MDR Thüringen  haben Sie regelmäßige Sendungen - v. a. zu Familiennamen. Wir erklären Sie sich die breite Faszination für Namen in der Öffentlichkeit?

Das hatte ich anfangs auch nicht begriffen. Wie gesagt, begonnen hatte ich mit Fluss- und Gewässernamen. Doch Familiennamen - das interessiert die Menschen am allermeisten. Jemand hat mal zu mir gesagt: "Wissen Sie, warum sich die Menschen so sehr für ihre Namen interessieren? Es geht um Sie selbst". Der Name ist ein Teil ihrer selbst und - Entschuldigung - jeder Mensch spricht gern über sich selbst.

Wie kamen Sie überhaupt zu dem Thema Familiennamen?

Durch den Rattenfänger von Hameln. Wir hatten damals in Göttingen die Ortsnamen Niedersachsens bearbeitet und gesehen, es gibt Ortsnamen, die von dort aus in Richtung Osten gegangen sind. Die Geschichte vom Rattenfänger - dahinter steckt die Ostsiedlung. Darüber hatte ich einen längeren Aufsatz geschrieben, den ein dpa-Korrespondent entdeckte und eine Meldung überschrieb "Prof. weiß, wohin der Rattenfänger die Kinder geführt hat". Und da war richtig etwas los - das werde ich nie vergessen. An einem Tag bekam ich 30 Anrufe. Unter anderem interviewte mich auch Radio Eins. Sie hatten dann die Idee, eine Sendung über Namen zu machen. Es stellte sich heraus, es sollte um Familiennamen gehen. Ich hatte mich damit überhaupt noch nicht befasst. Aber bereits der erste Name hat mich sofort fasziniert. Eine Person namens Essig, das war der erste Name, den ich behandelt habe bei Radio Eins. Das ging Richtung Rheinland-Pfalz, Essig wurde aus Wein hergestellt, es war ein Essig-Händler. Und in dem Moment habe ich begriffen, was es für einen Menschen bedeutet, wenn man seinen Familiennamen erklären kann. Das war eine unglaubliche Faszination.

Bleiben wir beim Thema Unruhestand. Inzwischen betreiben Sie das Zentrum für Namenforschung. Wie gestaltet sich hier das Interssen an den einzelnen Namenarten?

Hier beantworten wir Anfragen und können sagen, dass 90% oder mehr zu Familiennamen gestellt werden. Das ist das Hauptinteresse. Einige Anfragen haben wir auch zu Ortsnamen und zu Vornamen. Anfragen zu Vornamen sind insofern etwas schwierig, als dass sie gelegentlich gar nicht von einem Sprachwissenschaftler beantwortet werden können. Manchmal sind es Kunstnamen. Man darf ja Vornamen erfinden, solange sie als Namen akzeptiert werden. Und das ist dann keine Aufgabe für eine Sprachwissenschaftler. Vornamen machen für mich selbst auch nicht den Reiz aus, Familiennamen viel mehr.

Haben Sie Fälle, die besonders aufwendigste Recherchen brauchten?

Wir haben immer mal wieder solche Fälle. Jetzt gerade gab es einen Familiennamen, mit dem wir nicht glücklich sind. Es ist ein -dorf-name, Hümmendorf, den gibt es ca. 30 Mal. Und wenn ich einen -dorf-Namen als Familienname habe, dann denke ich, gibt es dazu auch einen Ort, von dem der Familienname abgeleitet ist. Aber: Wir finden diesen Ort nicht, obwohl wir sicher sind, es muss ein Ort sein. Nun gibt es die Möglichkeit, dass dieser Ort eine Wüstung ist, also ein Ort, der nicht mehr besteht. Doch auch so finden wir diesen Ort nicht. Das sind Fälle, die uns unbefriedigt lassen. Wir wollen schon gern wissen: Wo liegt denn nun dieser Ort.

Oder ein anderer aktueller Fall: Ein seltener Name, ein niederdeutscher Name, lassen Sie mich kurz überlegen... Lede... Ledebohm. Der Name ist nur vier Mal bezeugt, auf Telefon-CDs. 35 Millionen Eintragungen - und nun hab ich einen Namen, der nur drei oder vier Mal vorkommt. Da stehe ich vor einem besonderen Problem. Lede, im Niederdeutschen, das ist unfruchtbares Land.
Hier offensichtlich aber Ledebogen, bogen im Sinne von Biegung. Bogen ist ein alter Flurname.
Das haben wir in Sachsen Anhalt, Namen die auf -bie lauten, z. B. Barbie, und das bezieht sich oft auf die Biegung eines Waldstücks. Deswegen ist meine These, dass Ledebohm eine Verhörung oder falsche Umsetzung von Ledebogen ist, und das sieht gar nicht schlecht aus.

Und dann scheitern wir manchmal, weil es offensichtlich eine einmalige Verschreibung ist, die hier vorliegt. Gelegentlich hilft es, wenn man diese Namen in die alte Sütterlin-Schrift umsetzt, weil man dann auf einmal erkennt: Ach - diese Schreibung ist der anderen sehr ähnlich und offenbar ist hier etwas falsch gelesen worden.

Gab es andere ausgefallene Wünsche bei Ihnen im Zentrum?

Weiterführende Links

Hintergründe zum Rattenfänger: Überblick  / sehr detailliert

Verbreitungskarten zu Namen erstellen

Ausgefallene Wünsche drehen sich eigentlich fast immer um Vornamen: Suchen Sie uns doch mal einen besonders interessanten Vornamen aus einer ganz seltenen Sprache der "Glück" bedeutet. Aber da erlebt man, dass man nicht das trifft, was eigentlich gewünscht ist.
Bei Gutachten zu Familiennamen hat man nicht unbedingt die Möglichkeit, einen Wunsch zu äußern. Wir hoffen, dass im Namen auch etwas positives drinsteckt, vor allem, wenn das Gutachten ein Geschenk werden soll. Aber das können wir  vorher natürlich nicht sagen.
Sonst ist es so, dass die Arbeit mit Familiennamen eine ganz große Befriedigung darstellt. Ich habe schon so oft Antworten bekommen, wirklich befreiende Antworten, dass die Menschen sagen: "Das ist toll. Jetzt weiß ich endlich, was in meinem Namen drinsteckt." Und das sind manchmal super Geschichten. 

Zum Abschluß: Haben Sie Tipps für Menschen, die selbst aktiv werden wollen und eigene Recherchen durchführen möchten.

Ja, man kann schon etwas selber machen. Am Anfang steht die Verteilung. Da kann man bereits erkennen, woher der Name kommt. Wir haben aber auch ca. 15 Million Flüchtlinge, die im Zuge des zweiten Weltkriegs zu uns gekommen sind, und da gibt es natürlich keine Häufung. Die alten Bindungen sind zerbrochen. Ich nenne das Flickenteppich, Patchworkstreuung - kein Zentrum. Und da wird es schon schwieriger. Wenn man in Polen, Schlesien, Sudentenland sucht, muss man auch in entsprechende Quellen schauen.
Bei anderen Namen kann man inzwischen auch im Internet sehr viel finden, nur muss ich warnen: Bei Namen im Internet gibt es immer noch eine hohe Fehlerquote. Den wahren Ursprung bekommt man nur durch intensive Rechechen heraus. Das gelingt wohl nur bei Namen, die schon einmal von Experten behandelt wurden oder die sehr durchsichtig sind.
Bei schwierigen Namen, oder Namen, die nur gering vertreten sind, kommt man um die Hilfe eines Fachmanns nicht herum.

heffenberg's picture

Ich fand Professor Udolph sehr enttäuschend.

Er schaut in sein Buch, und wenn der Name in dem Buch erwähnt ist, dann "forscht" er, indem er vorliest, was in dem Buch steht.

Und wenn in dem Buch Quatsch steht, dann liest er eben Quatsch vor. In meinem Fall hat es mich mit googles Hilfe 30 Minuten gekostet, sicherzustellen, dass Herr Udolph bei Radio1 Unsinn geredet hat, was meinen Namen betrifft - und ich bin kein Namenforscher.

Ein echter Namenforscher hätte das vermutlich in 5 Minuten herausfinden können.

Wenn Udolph sagt:

"Bei Namen im Internet gibt es immer noch eine hohe Fehlerquote. Den wahren Ursprung bekommt man nur durch intensive Rechechen heraus. Das gelingt wohl nur bei Namen, die schon einmal von Experten behandelt wurden"

dann widerspreche ich daher: Das "Internet" ist teilweise schlauer als Pseudo-Experten wie Herr Udolph.

Laut Prof. Udolph (er hat im Radio wörtlich aus dem Bahlow vorgelesen) stammt mein Name "Effenberg" von einem angeblichen Gerichtsbaum, einer "Gerichtseffe".

Nun würde sich ein intelligenter Mensch natürlich die Frage stellen: "Warum heisst einer 'Gerichtsbaumberg'? Was hatte der mit dem Baum  zu tun? Hat der den gepflegt? Oder gefällt? Drunter gewohnt? Dran gepinkelt?"

Aber abgesehen davon: Eine "Effe" ist kein Gerichtsbaum. Wenn man mal nur im Internet forscht und die "Experten" beiseite lässt, fndet man schnell heraus: "Effe" heisst in Rheinhessen die Ulme bzw. Rüster. Und wenn die ein Gerichtsbaum ist, dann heisst sie in Rheinhessen "Gerichtseffe". Aber eben nur, wenn sie eine Ulme oder Rüster ist. Wenn sie eine Linde ist, heisst sie auch in Rheinhessen "Gerichtslinde". Und ausserhalb von Rheinhessen kennt man die Bezeichnung "Effe" gar nicht.

Nun gibt es aber in Rheinhessen relativ wenige Effenbergs, also haben die vermutlich mit den rheinhessischen Ulmen bzw. Rüstern nichts zu tun. Viel wahrscheinlicher kommen sie aus Schlesien oder Nordböhmen.

Die intelligenteste Vermutung habe ich bei August Friedrich Pott gelesen: "Aufenberg" für jemanden, der auf dem Berg wohnt.