Dummheit oder neue Rechtschreibung?

4 Antworten [Letzter Beitrag]
User offline. Last seen 1 year 29 weeks ago. Offline
Experte!Moderator
Beigetreten: 31.12.2005
Beiträge: 4600

Wir brauchen die neuen Regeln nicht! Sie sind pure Diskriminierung.

Mail an README: "du solltest dich schämen! deine rechtschreibung ist saumäßig, und so was nennt sich redakteurin? was für´n scheiß."

Nicht gerade höflich, aber im Prinzip korrekt, und ich schäme mich wirklich, wenn ich beim Suchen nach älteren README-Rezensionen wieder mal Tippfehler entdecke, die ich beim Korrekturlesen übersehen habe. Oder mich ein Verlag darauf aufmerksam macht, der mit der Besprechung seines Buches nicht zufrieden ist.

Schande über mich!

Habe ich eine Entschuldigung? Naja, vielleicht folgende:

Ich bin das ganze Trara ums "richtige" Schreiben leid, auch wenn ich mich nach den Regeln der "neuen Rechtschreibung" richte. Soweit ich sie kenne und vernünftig finde. Und weil ich nicht gar zu viel böse Post von Duden-Fanatikern bekommen will, aber:

Ob ich Phantasie mit Ph oder F schreibe, wo ich meine Punkte hinsetze, oberlehrermäßig korrekt oder nach Laune, und ob ich beim Nachlesen meiner Texte den einen oder anderen Tippfehler übersehe - werden die Rezensionen dadurch schlechter? Dafür gibt es doch wohl andere Kriterien. Und noch wichtiger:

Ist ein Junge unbrauchbar, der sich um einen Azubiposten als LKW-Fahrer oder Koch, als Fotograf, Friseur, Fahrradmechaniker oder zum Beispiel als Kaufmannesgehilfe bewirbt, wenn er Fuß wie die Schweizer mit zwei S schreibt statt mit dem in Deutschland als korrekt beschlossenen ß?

Ist er nicht! Wenn er Wichtigeres kann. Zum Beispiel mit Anderen im Team arbeiten, Kunden anlächeln statt Kaugummi zu kauen, seine Aufträge annehmbar ordentlich auszuführen und "warum?" zu fragen, wenn er die Anweisungen der Ausbilder nicht versteht. Dann besitzt er emotionale und soziale Intelligenz (schauen Sie sich dazu die Rezension von Goleman´s "Soziale Intelligenz" unter "README best books"an! Kaufen und Lesen lohnt sich!). Er ist intelligent genug für die meisten Normaljobs.

Trotzdem jammern die Vertreter von Handwerks- und Handelskammern, Personalchefs in der Industrie wie in Kleinbetrieben immer wieder und sehr lautstark: "Die" Jugend versaut jedes Diktat. "Die" Jugend schreibt alles falsch. "Die" Jugend kann kein deutsch. (Schreibt man "Deutsch" hier groß oder klein????? Keine Ahnung.)

Vielleicht sind die Klagen berechtigt, aber die Konsequenzen, die aus den angeblich so mangelhaften Rechtschreibfähigkeiten der Jobsucher gezogen werden, sind eindeutig falsch. Wenn jemand nicht Journalist werden will oder einen anderen Beruf ausüben, bei dem er den größten Teil des Tages irgendwelche Schriftsätze verfasst - muss er dann die neue Rechtschreibung beherrschen? Oder wenigstens die alte? Oder überhaupt eine, solange seine potentiellen Leser verstehen, was er ihnen aufgeschrieben hat?

Ich finde: Er muss nicht. Erstens kann er das PC-Rechtschreibprogramm über seine Texte laufen lassen. Und wenn ihm das nichts hilft, weil er als Legastheniker an einer Rechtschreibschwäche "leidet", kann er an der Verständlichkeit feilen (was ich z. B. Rechtsanwälten, Versicherungen, der Bundesrentenanstalt, Steuerbehörden oder den Leaflet-Verfasser für Kosmetika dringend empfehle).

Geht das Abendland wirklich unter, wenn wir die Gämse weiterhin als Gemse vorstellen? Verhunzen wir damit unsere Kultur? Können die Jungen, wenn ihnen ihre Lehrer keine korrekte Rechschreibung einbläuen, bald kein deutsch mehr?

Das Abendland ist längst "untergegangen", weil es sich in der neuen Globalintelligenz aufgelöst hat. Unsere Kultur hat die sonderbaren (Recht-)Schreibweisen von Herrn Goethe, Herrn Kant und aller übrigen Dichter und Denker seit der Gründung des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation vor 800 Jahren überlebt. Feste Regeln veröffentlichte ein sonst ziemlich uninteressanter Konrad Duden erst im Juli 1880. Er war damit - leider! - sehr erfolgreich, denn faule Lehrer fanden seine Anweisungen für ihren Unterricht hilfreich - endlich eine neue, erlaubte Möglichkeit, um den Kleinen das Gruseln zu lehren. Und sie überredeten die Politiker des Königsreichs Preußen noch im selben Jahr, Dudens Vorschläge zum Pflicht-Lehrstoff in allen Schulen zu machen. Seit dem wurden sie immer wieder geändert. In erster Linie weil die Vorschreiber aus dem Duden-Verlag, der bis ins dritte Jahrtausend ein Monopol auf die Rechtschreib-Wörterbüchern besaß, Gründe für Neu-Auflagen suchten: Mit neuen Vorschriften ließ sich´s am einfachsten für ihren Kauf werben ...

Es ist mir total egal, warum ich "dass" nach der "neuen Rechtschreibung" mit zwei SS versehen muss, warum das alte ß verboten wurde und was schlimm daran ist, wenn nach "da" nur ein S folgt. Weil ich es unwichtig finde, solange jeder Leser meine Sätze versteht. Den Delphinen ist es garantiert gleichgültig, ob wir sie mit F schreiben oder nicht. Und ob ich dem Donaudampfschifffahrtskapitän die heute "richtigen" drei F´s einfüge oder das Wort als "Kapitän eines Dampfschiffs auf der Donau" leichter lesbar mache - warum muss es dazu Vorschriften geben?

Um es noch mal zu sagen: Ich schäme mich meiner Tippfehler und bitte Sie dafür um Verzeihung, weil ich gern das Image eines perfekten Redakteurs genießen möchte. Ich fordere von jedem Text, dass ich ihn beim Überfliegen verstehen kann, auch wenn er von einem Legastheniker, einem Einwanderer aus Indien, einem Versicherungsmathematiker oder einem Deutschlehrer stammt. Ob die benützten Worte "richtig" geschrieben wurden oder "falsch", ist nur eine Frage der Konvention.

Natürlich sollten Kinder die Regeln lernen - schon damit sie Rechtschreibfanatikern unter den Personalchefs nicht negativ auffallen. Eine Einstellung von ihrer Beherrschung abhängig zu machen, für eine Berufsausbildung, bei der Schreiben nicht wichtig ist, halte ich nicht nur für politisch unkorrekt und diskriminierend. Es ist ein ausgemachter, der gesamten aktuellen Intelligenzforschung Hohn sprechender, Menschen verachtender Blödsinn.

Quelle: http://www.readme.de/kolumnen/dummheit_oder_neue_rechtschreibung.php?mode=normal&PHPSESSID=5dae4aff4fd2fe1924b971bd

User offline. Last seen 11 years 34 weeks ago. Offline
Experte!Moderator
Beigetreten: 30.01.2006
Beiträge: 1553

Hallo,

ich denke wir sollten lieber daran denken, daß unsere Kinder besser gefördert (Bildung allgemein) und betreut werden. Nehmen wir uns doch mal ein Beispiel am Bildungssystem in einigen anderen Ländern, z.b. in Schweden.

Dinomaus28 :roll:

User offline. Last seen 6 years 26 weeks ago. Offline
Moderator
Beigetreten: 06.12.2004
Beiträge: 744

Dass es im Internet mit der Rechtschreibung nicht ganz so genau genommen wird, hat sich schon lange eingebürgert. Solange es den Lesefluss nicht stört, oder solange Fehler die beabsichtigte Aussage nicht verfälschen, mach ich mich da auch nicht heiß (ich habe gerade eben eine Textseite Schwitzerdütsch gelesen - und weitestgehend verstanden :dance: )

Sauer stößt es mir aber auf, wenn selbst Autoritäten wie der Spiegel Online schlampig editieren.
Da sind mal Tippfehler drinne, Wortdopplungen, Editiermarken oder Verweise auf Seitenzahlen, die nur in der gedruckten Ausgabe existieren. Und dort (so stelle ich es mir jedenfalls vor) sitzen geschulte Redakteure...
Das muss nun wirklich nicht sein, wenn man eine "Vorbildfunktion" hat und zu den hundert wichtigsten deutschsprachigen Webseiten zählt.

LG

User offline. Last seen 17 years 22 weeks ago. Offline
Beigetreten: 07.02.2007
Beiträge: 7

Wenn man das so hört ist das ein Fall für den Zwiebelfisch;)
Doch mal ernst, dass "dass" mit ss ist für mich einfach nicht tragbar, denn man kann eigentlich das "ß" nicht mit "ss" übersetzen, denn dieses bedeutet klipp und klar, nach Aussprache, oder so in etwa, "sz"!
Würden diese "faulen" Lehrer den Kindern doch erklären, daß "dasz" auf einen finalen Nebensatz hindeutet, hätten wir diese "ß"-Schwäche nicht. Ich bin dafür: "Rettet daß ß!!!" Laßt es wieder zurückkehren, denn wir müßen ein bißchen Eigenständigkeit bewahren!
Genauso ist es mit dem konjunktiv, für viele heißt es nur noch "würde", doch ein geflegter Konjunktiv sei doch mehr wert als "würde".
Oder ist es der Wille aller Menschen die indirekte Rede nur noch mit "würde" oder schlimmer noch in direkte Rede zu "übersetzen"?
Edit: Falls einer des Lateinischen mächtig ist könnte er meine Besorgnis mit dem daß verstehen, denn ich als Latein-Gequälter kenne sehr wohl den ACI (Acusativ cum Invinitiv); weit mehr als bloßer Finalsatz!!!

User offline. Last seen 16 years 43 weeks ago. Offline
Beigetreten: 29.01.2008
Beiträge: 9

Nur ein Satz:

Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten. :lol: