23.Mär.2004

Namen & Bedeutung: Semantische Klassen

Patronymische Familienamen

Innerhalb einer Gemeinschaft konnten zwei Personen mit dem Rufnamen Friedrich beispielsweise aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Vätern identifiziert werden. Dazu fügte man dem Rufnamen einfach den Namen des Vaters (selten auch den Namen einer anderen Leitfigur) bei. So war der eine Friedrich, Gerhards Sohn, der andere Konrads Friedrich. Später konnte sich der Beiname zum Familiennamen verfestigen, als Gerhard(s) oder Konrad(s).

Im deutschen Nordwesten (und in Skandinavien) ist auch die Endung -sen weit verbreitet, die vom reduzierten Wort "Sohn" übrig geblieben ist.
Patronymischen Familiennamen, also Vatersnamen, begegnen uns heute zahlreich. Denken sie an Jahn Ulrich, Thomas Gottschalk, Udo Jürgens.
Matroymische Familiennamen - aus dem Namen der Mutter - sind hingegen sehr selten.

Herkunftsnamen

Ein Zusammenhang mit Ortsnamen ist dieser Gruppe von Familiennamen oft sofort anzusehen. Eisenberg(er), Altenburg(er), Weimar - eine Herleitung für solche Familiennamen ist schnell gefunden. Es gibt Orte mit gleich lautende Namen. Die Bedeutung dieser Namen läßt sich also mit "der aus ..." beschreiben.

Generell war es der Zuzug einer Person aus dem jeweiligen Ort, der sie von den Alteingesessenen unterschied. Kam z.B. ein Heinrich aus Altenburg nach Kassel, konnte er dort Heinrich aus Altenburg oder Heinrich, der Altenburger gerufen werden. Der Ortsname Altenburg wurde in der Fremde als Beiname angefügt und verfestigte sich zum Familiennamen.
In seiner alten Heimatstadt wäre der gleiche Vorgang weitgehend ausgeschlossen gewesen, da waren ja alle Altenburger - ein unterscheidendes Potential hatte der Name dort nicht. 

Dennoch, obwohl die Erklärung der oben angeführten Familiennamen offensichtlich scheint, ist Vorsicht geboten. Zwar können all diese Familiennamen auf einen Ortsnamen zurückgehen, aber auf welchen?
Mindestens zwei Orte Weimar, einer in Thüringen, ein anderen bei Frankfurt/Main, sind als Basis für den Familiennamen Weimar zu berücksichtigen. Bei Altenburg(er) kommen gleich eine handvoll Orte in Betracht, mehrere auch für Eisenberg. Für diesen ist außerdem die Erklärung aus einem Wohnstättennamen denkbar. Um solche Familiennamen hinreichend zu erklären, müssen also in einem möglichst umfassenden Ortsverzeichnis - vorzugsweise auch noch eines mit historischen Belegen - potentielle Ortsnamen als Basen gefunden werden. Wahrscheinlich ist auch ein wenig Ahnenforschung notwendig, um einen passenden Ort zu finden. Oft deutet die Geschichte einer Familie auf ein Gebiet, dass in relativer Nähe zu einem passenden Ortsnamen gelegen ist.
Auch die Herkunft aus einer Region fällt in die Gruppe der Herkunftsnamen. Einen Schwabe, Sachs(e), Böhme oder Bayer kenne sicher auch Sie.

Wohnstättennamen

Diese Gruppe von Namen gibt ebenso die Herkunft einer Person wieder, allerdings nicht aufgrund von Zuzug aus der Fremde, sondern nach der Herkunft innerhalb einer Siedlung. Besonders markante Punkte in der Nähe der Behausung oder Charakteristisches der Behausung selbst konnten als Ansatzpunkt für einen Beinamen dienen.
Wohnte jemand am Anger, konnte sich daraus der Familienname Anger oder Angermann entwickeln; jemand, der am Baum wohnte, konnte Baum gerufen werden; der von der Wiese kam, konnte Wies(e) oder Wies(e)mann genannt werden.

In dieser Gruppe treten häufig Wörter auf, die nur sehr regional verbreitet waren und deren Bedeutung im heutigen Wortschatz völlig unverständlich ist. Passende Dialektwörterbuch oder auch Flurnamenbücher der jeweiligen Region können hier helfen, die Bedeutung der Namen zu erklären. Vorsicht auch, weil vermeintliche Wohnstättennamen manchmal in andere Gruppen fallen können. Mühle kann sowohl zu Wohnstättennamen gehören, als auch in die Gruppe der Berufsnamen, Steinhäuser kann Wohnstättenname (der aus dem Steinhaus) oder Herkunftsname (der aus Steinhausen) sein.

Übernamen

Namen dieser Gruppe sagen etwas über Aussehen oder Charakter einer Person aus. Groß (Groß[e]), klein (Kurz), hell- (Weiß[e], Wittkopp), dunklehaarig (Schwarz[e]) oder kahl (Kahlkopf), gefräßig (Pfannkuchen), dem Alkohol zusagend (Guckinsglas) oder Frühaufsteher (Morgenschweiß) - all das kann sich in Familiennamen widerspiegeln.

Bei Übernamen ist die äußerliche oder charakterliche Abweichung einer Person von der Norm - wenn es denn so etwas gibt - zum Benennungsmotiv geworden. Auch in dieser Gruppe findet man Wörter in Familiennamen verewigt, die im alltäglichen Sprachgebrauch ausgestorben sind.

Berufsnamen

Unter den 20 häufigsten deutschen Familiennamen finden sie: Müller, Schmi(e)d, Schneider, Fischer, Meyer, Bäcker, Bauer, Wagner, Koch - die wichtigsten Berufe von früher sind die bekanntesten Familiennamen von heute. Wie die Person benannt wurde, liegt auf der Hand.

Zu den Berufsnamen zählen aber auch Familiennamen wie Krempelsetzer oder Gänseräufer, denen man ihren Sinn nicht unmittelbar ansieht. Ersterer bezeichnete eine Person, die Kurzwaren zum Verkauf ausbreitete, also einen Händler; Gänseräufer einen Geflügelhändler, der die Tiere auch rupfte.

Doch viele der früheren Berufe sind heute überflüssig geworden und in Vergessenheit geraten. So wurde mit dem Namen Sauschneider nicht etwa ein schlechter Schneider benannt, vielmehr ist er aus der Berufsbezeichnung des Schweinekastrators hervorgegangen. (Hellfritzsch, Familiennamenbuch des sächsischen Vogtlandes, 1990). In Namen existieren alte Bezeichnungen fort.

Das Buch "Falkner, Köhler, Kupferstecher" (R. Pala, 1994) bietet interessante Informationen zu solchen ausgestorbenen Berufen.

Typische Werkzeuge oder Begleiterscheinungen eines Berufes, die zum Namen wurden, kann man ebenfalls zu den Berufsnamen zählen, etwa die Familiennamen Hammer und Pinkepank für einen Schmied (dessen Bedeutung sich erst erschließt, wenn man sich das Geräusch wiederholten Schlagens mit einem Hammer auf Metall vorstellt) oder Mehlhose für einen Müller.